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Welche Probleme beim Leben in der offenen Küche auftauchen

Offene Küchen sind längst kein Trend mehr, sondern Standard bei Neubauten. Auch bei Umbauten werden gerne Wände eingerissen, um Wohnraum, Essbereich und Kochzone zu verbinden. In der Werbung sieht das traumhaft aus: Die Familie verbringt fröhlich und harmonisch Zeit miteinander, Türen und Wände scheinen überflüssig. Doch die Realität zeigt, dass die Nähe auf Dauer auch belastend sein kann.

Raumpsychologe Uwe Linke aus München warnt: „Offene Grundrisse schaffen zwar großzügige Räume, aber oft fehlen Rückzugsbereiche. Gerade die Küche ist ein Ort, an dem auch intime Gespräche stattfinden – die in offenen Bereichen nicht möglich sind.“

Verlust der Intimsphäre

Linke erklärt, warum fehlende Rückzugsmöglichkeiten problematisch sein können: „Unser Leben ist ohnehin gläsern geworden. Wir teilen vieles über das Internet, aber wir brauchen Orte, an denen wir uns vor allzu großer Öffentlichkeit schützen können. Nicht, weil wir etwas verbergen, sondern weil Intimsphäre grundlegend wichtig ist – und das sollte sich auch in der Architektur widerspiegeln.“

Offene Küchen können anstrengend sein

Fehlen Rückzugsmöglichkeiten, kann das Zusammenleben anstrengend werden. „Intimität und Entspannung gehen verloren, wenn man nicht einfach mal die Tür schließen kann, um allein zu sein oder bestimmte Momente nicht teilen zu müssen. Manche merken das kaum, weil sie durch Großraumbüros an ständige Öffentlichkeit gewöhnt sind“, so Linke.

Eine Frage der Balance

Doch bedeutet das, dass Bauherren auf offene Küchen verzichten sollten? Nicht unbedingt. „Offene Küchen mit Essplatz greifen die ursprüngliche Idee der Küche auf: ein Treffpunkt für Austausch und Kommunikation. Erst in den 1950er- und 60er-Jahren wurde die Küche in Deutschland isoliert – wegen Gerüchen und weil die Hausfrau nicht gesehen werden sollte. Dieses Ideal ist längst überholt.“

Die Rückkehr zur offenen Küche bewertet Linke positiv – unter der Bedingung, dass andere Rückzugsmöglichkeiten geschaffen werden. „Die Eckbank hat vor rund 20 Jahren eine Renaissance erlebt und mit ihr auch der offene Grundriss. Das ist eine gute Entwicklung, solange private Rückzugsräume berücksichtigt werden.“

Wo Wände unverzichtbar sind

Besonders in Bad und Schlafzimmer empfiehlt Linke, klare Trennungen zu schaffen: „Im Badezimmer schätzt jeder Abgeschiedenheit. Ich war kürzlich in einem Hotel in Asien, wo das Bad offen war – selbst unter Freunden kann das unangenehm sein.“

Ähnlich sieht es im Schlafzimmer aus: „Das Schlafzimmer ist ein Rückzugsraum. Hier sollten nur Menschen Zutritt haben, mit denen man diesen Raum wirklich teilen will. Offene Bäder oder Schlafzimmer funktionieren nur für Paare, nicht für Familien.“

Offene Grundrisse erfordern Rücksicht

Wer sich dennoch für offene Räume entscheidet, muss Regeln für den Umgang miteinander festlegen. „Offene Grundrisse erfordern mehr Rücksicht – etwa wegen der Geräuschkulisse. Lärm wird schnell zur Stressquelle.“

Linke ist überzeugt: „Rücksichtnahme muss gelernt werden. Angesichts der Urbanisierung und wachsender Bevölkerungszahlen werden wir gezwungen sein, unser Verhalten dauerhaft anzupassen.“

Offene Küchen fördern Kommunikation und Nähe – sie verlangen aber auch Kompromisse. Wer den Rückzug respektiert, kann die Vorteile genießen, ohne dass Nähe zur Belastung wird.