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Radikal wegweisend: Frankfurter Küche

Die „Frankfurter Küche“ war kaum weniger als eine Revolution. Die Prinzipien, denen die sie folgte, waren so klug und fortschrittlich, dass sie noch heute Grundlage der Küchenplanung sind. Die damals gelegte Saat sollte, wenn auch mit Verspätung, fulminant aufgehen.

Auch wenn sie zunächst eher an der Masse der deutschen Hausfrauen relativ spurlos vorüberging, bedeutete sie doch in der Theorie (und in ihrer bescheiden gebliebenen Praxis) eine tiefgreifende Veränderung der alltäglichen Küchenarbeit – ohne Frage hin zum Besseren.

Perfekt geplant: Frankfurter Küche

Ihrer Gestaltung lag eine genaue Analyse der normalen Arbeitsabläufe und Handgriffe bei der Küchenarbeit zugrunde. Aus dieser ergab sich die Anordnung der Küchenmöbel und -geräte, die wiederum selbst praktisch, mit moderner Technik ausgestattet und in modernen Materialien gestaltet wurden.

Neues Frankfurt: Ernst May

Ihren Namen verdankt die Küche dem Wirken des Frankfurter Stadtbaurats Ernst May, der zwischen 1925 und 1930 unter dem Titel „Neues Frankfurt“ ein Bauprogramm auflegte, um die Wohnungsnot in seiner Stadt zu mildern. Dabei sollte bezahlbarer Mietraum entstehen und zugleich Wohnungen, die – den Leitlinien des damals in seiner Blüte stehenden Bauhauses folgend – hell, praktisch und modern waren. Tatsächlich wurden 12.000 Wohnungen gebaut und damit (fast) ebenso viele, auf den Millimeter genau eingepasste Frankfurter Küchen.

Frankfurter Küche: Weniger ist mehr

Das Grundprinzip war das der Rationalisierung. Wie in der industriellen Produktion sei es auch in der Küche wichtig, „größte Leistung bei geringstem Kraftaufwand“ zu erreichen, wie es in einem zeitgenössischen Werbefilm hieß. Die Hausfrauen sollten von viel unnötiger, kräftezehrender Arbeit befreit werden. Kein unnötiges Bücken und Stehen (dafür Sitzen auf einem Drehstuhl!), keine überflüssigen Handgriffe, kein Schritt zuviel mehr in der Küche.

Aufwertung der Küchenarbeit

Natürlich ging es auch um neue ästhetische Ansprüche, aber im Vordergrund standen doch sozialpolitische: Der Haus- und Küchenarbeit sollte ein höherer Wert beigemessen werden, die auf sie verwendeten Mühen und Belastungen verringert werden. Natürlich steckte dahinter auch die Forderung, das überkommene Bild von der Frau am Herd, die dort ihren Frondienst für Mann und Familie verrichtet, durch das der ‚emanzipierten’ Frau zu ersetzen.

Entwerferin: Margarethe Schütte-Lihotzky

Die Frankfurter Küche ging 1926 in Produktion, die Herstellungskosten lagen bescheiden zwischen rund 560 und 760 Reichsmark. Dadurch erhöhte sich die Miete um eine Mark monatlich. „Diese eine Mark war absolut tragbar“, bemerkte dazu später ihre Entwerferin Margarethe Schütte-Lihotzky. Die junge Frau hatte in Wien studiert und wurde in Frankfurt zu einer engen Mitarbeiterin Mays. Die Radikalität ihres Denkens offenbarte sie in ihrem Anspruch, eine Küche zu planen, in der auf kleinstem Raum, genau gesagt: auf idealerweise 3,44 mal 1,87 Metern (dafür sollte mehr Raum für die anderen Zimmer der Wohnung bleiben), ebenso effizient gearbeitet werden könne wie in der Küche eines Pulman-Wagens.

Radikal und konsequent: Frankfurter Küche

Die Frankfurter Küche sollte praktisch sein, alles sollte dort seine Ordnung haben und hygienisch einwandfrei sein. Vorgesehen waren platzsparende Schiebetüren, Einbauschränke und -regale, Arbeitsflächen direkt am Fenster, an deren Ende sich ein Fach für Abfälle befand, variables Deckenlicht, ein herunterklappbares Bügelbrett, ein funktionierender Dunstabzug. Ergonomisch konsequent konnten vom Arbeitsplatz aus Gemüseabfälle mit dem Messer nach rechts in eine „Abfallrinne“ geschoben und schmutziges Geschirr mit der linken Hand zum Waschbecken und „Ablaufbrett“ geräumt werden.

Abgeraten wurde von den weitverbreiteten „Kochkisten“, die ein Weiterköcheln ermöglichten, aber auch die Vitamine zerstörten. Und irritiert wurde zur Kenntnis genommen, dass die Neue Küche nicht immer zu den neuen Menschen passen wollte: Die eigentlich sinnvollen Aluminiumschütten, die Beschriftungen für Mehl, Salz, Zucker usw. hatten, wurden im Alltag rasch mit anderen Inhalten gefüllt. Ein kleiner Trost: Heute werden diese Schütten als noch im Umlauf befindlicher Teil der Küche zu Liebhaberpreisen gehandelt.